„Zu spät“ & „Die Box“ – Troimer

Heute betrachten wir zwei Songs, oder vielleicht zwei Spiegel. Einer flüstert: „Ich war da.“ Der andere schreit: „Ich bin noch hier.“ Troimer baut keine Tracks – sie bauen Erinnerungsmaschinen. „Die Box“ ist ein Echo in Moll. „Zu spät“ ein Herzschlag, der sich weigert, stillzustehen. In „Die Box“, in der Erinnerungen als fragile Artefakte in einem imaginären Behälter ruhen, haucht eine zarte Gitarrenmelodie, die kaum merklich wie eine flüsternde Stimme im Halbdunkel vibriert, den Moment mit verlorener Wärme auf. Bevor choral aufbrechende Wogen, die aus der Stille erwachsen, das Schweigen in befreiendes Licht tauchen, verhallt sie.

„Zu spät“ beginnt mit einer minimalistischen Einleitung, die Raum für nachhallende Gedanken lässt. Später entfachen wuchtige Gitarren und pulsierende Drums, die wie Herzschläge schlagen, eine kathartische Ekstase und zeigen, wie Bedauern und Erlösung zu einem ekstatischen Tanz verschmelzen können. Diese Lieder liefern weniger Antworten als dass sie provokative Fragen aufwerfen. Sie fordern dazu heraus, eigene Geschichten als unvollständige Puzzles zu begreifen, deren Zusammenhalt erst durch das Eintauchen in Troimers Klangkosmos entsteht.

Fazit: Troimer schaffen es, in ihren Stücken Fragmente von Erinnerung und Sehnsucht so zu verweben, dass sie, obwohl sie niemals fertige Antworten servieren, gleichzeitig Türen zu ganz persönlichen Klangräumen öffnen, in denen sich jeder Hörer, so verletzlich er auch sein mag, als aktiver Gestalter seiner eigenen Geschichte begreifen kann. Ihre Musik, die in immer neuen Spannungsbögen aus Intimität und Explosion schwebt, bleibt weniger ein abgeschlossenes Kunstwerk als vielmehr ein pulsierender Reflexionsraum, der dazu auffordert, die eigene „Box“ zu öffnen, Verluste zu umarmen und sich von Bedauern nicht länger gefangennehmen zu lassen.

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